Boogie, Blues, Bach und eine ganz besondere „Wassermusik“

HAIGER — „Bin ich im falschen Film?“, könnte sich so mancher Besucher in der Haigerer Schillerstraße gefragt haben. Von einem Querschnitt von Bach bis Blues war im Vorfeld des „brAssMEN“-Konzerts die Rede gewesen — aber beim „Trompeten-Echo“ fühlte sich der ein oder andere doch stark an schunkelnde Massen im bierseligen „Musikanten-Stadl“ erinnert. Doch der Irrtum wurde schnell aufgeklärt. Der „Landler“ zum Konzert-Auftakt war ein gewollter Ausrutscher der fünf Vollblut-Musiker, und als Moderator wirkte auch nicht Karl Moik, sondern ERF-Direktor Jürgen Werth. Ihm war es vorbehalten, im Saal der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde durch ein an Höhepunkten und Abwechslung reiches Konzert zu führen, das über 500 Besucher restlos begeisterte.

„Sie werden heute kein ganz übliches Konzert erleben“, hatte Margarete Kupsch-Loh dem Publikum zum Auftakt versprochen. Und sie sollte Recht behalten, denn neben einem musikalischen Programm, das durch Perfektion und Originalität bestach, amüsierten die „Messing­männer“ ihre Besucher mit amüsanten Erzählungen aus der zehnjährigen Band-Geschichte. Von brennenden Weihnachtsbäumen, Auftritten im Kosovo und in Paraguay war ebenso die Rede wie von einer Radarfalle samt folgendem Führerschein-Entzug und der Irrfahrt eines Musikers durch die neuen Bundesländer.

Vortrag mit Augenzwinkern

Anekdoten und Erinnerungen machen deutlich, dass die „brAssMEN“ jede Menge Spaß am und im Leben und vor allem an der Musik haben, was auch bei den Stücken der Combo glänzend rüber kommt. Natürlich gehören Bach-Klassiker und Stücke von Vivaldi zum Repertoire des Quintetts. Irgendwie werden aber selbst eher getragene Werke augenzwinkernd vorgetragen.

So richtig in Wallung geraten Johannes Langendorf, Markus Motschenbacher (beide Trompete), Micha Klappert (Horn), Klaus-Peter Diehl (Posaune) und Richard Meindl (Tuba) aber erst; wenn sie ihrer Kreativität und Originalität freien Lauf lassen können. Da wird ein eigentlich für Klarinette geschriebenes typisch bayerisches Bierzelt-Lied flott zum „Tuba-Muckl“ umgewidmet, damit sich Richard Meindl mit seinem großen Horn mal so richtig virtuos austoben kann.

Eurovisions-Hymne auf der „Latrinette“

Ein anderes Mal glaubt sich das Publikum in den amerikanischen Südstaaten zu befinden, wenn die Band beim „Brassjoker“ in rhythmischen Schritten musizierend durch den Saal marschiert. Wenig später werden die Besucher gleich komplett ins Programm integriert und beim C.-Bogey-Marsch (besser bekannt als Werbemelodie „Komm doch mit auf den Underberg“) erfolgreich zum Mit-Pfeifen animiert.

Die „brAssMEN“ verstehen es glänzend, den Spannungs­faden in der Zuhörer­schaft nicht abreißen zu lassen. Den Höhepunkt an Experi­mentier­freude und Extra­vaganz bildet zweifels­frei eine ganz spezielle „Wassermusik“, bei der Tubist Richard Meindl ein mit Wasser gefülltes WC zum Klingen bringt. Problemlos ist die bekannte „Eurovisions-Hymne“ („Te Deum“ von Marc A. Charpentier) zu erkennen. „Das Instrument heißt Latrinette“, scherzt der Herr der tiefen Töne. Das Lied hat, klar, programmatischen Charakter. Schließlich heißt die aktuelle CD der fünf Blech­männer in Anlehnung an einen großen Her­steller von Sanitär-Zubehör „Villeroy & Bach“.

Staatsoberhäuptern den Marsch geblasen

Bei allem Hang zur Gaudi lassen die fünf Herren — die als ehemalige oder aktuelle Bundeswehrmusiker so manchem Staatsoberhaupt „den Marsch geblasen haben“, wie Jürgen Werth berichtet — auch Raum für Ernsthaftigkeit. „Sie machen gute Musik zur Ehe eines guten Gottes“, nennt Werth die Motivation des Quintetts, das aus den verschiedensten Teilen der Republik stammt, vor zehn Jahren jedoch in einer Marburger Eisdiele ins Leben gerufen wurde.

Mit einem Werk des verstorbenen Langenaubacher Komponisten Johannes Nitsch („Jesus, zu Dir kann ich so kommen wie ich bin“) machen die Fünf deutlich, dass es ihnen auch darum geht, musikalisch die christliche Botschaft weiterzutragen. Da passt Johann Sebastian Bachs „Was Gott tut, das ist wohl getan“ hervorragend ins Programm — und hat sogar die Chance, als Überschrift über zehn Jahren „brAssMEN“ zu stehen.

Erstaunliche Gnade als Arbeits-Motivation

„Amazing Grace“, die „erstaunliche Gnade Gottes“, sei Motivation für die musikalische Arbeit, erklärt Trompeter Johannes Langendorf, bevor der Abend mit dem gleichnamigen Song und einem a-cappella gesungenen „Abendlied“ langsam ausklingt.

Die Haigerer und die aus der Ferne angereisten Musik-Fans wären garantiert nicht böse, wenn die „brAssMEN“ auch ihren elften Geburtstag in der Schillerstraße feiern würden. Dann sollte in jedem Fall auch der gelungene Vortrag der als „Brass-Women“ gefeierten Ehefrauen der Musiker („Guten Abend, gut‘ Nacht“) erneut aufgeführt werden.